Chaffard, Claire  - Frankreich

                Chaffard, Claire

Claire wurde am 27. Februar 1903 in Lyon geboren. Sie sprach fließend Spanisch. Sie arbeitete fünf Jahre lang als Sportlehrerin, dann als Angestellte. Sie gehörte der Gewerkschaft CGT an und war eine kommunistische Sympathisantin. Sie kam im August 1936 nach Spanien. Claire arbeitete als Krankenschwester beim Schweizer OP-Team an der Huesca-Front. Laut Peter Hubert (Buch zitiert, S. 246) wird das Mobile Front Hospital von der unabhängigen Vereinigung der Freunde des Republikanischen Spaniens aus Genf finanziert. Hier trifft sie wahrscheinlich ihren zukünftigen Ehemann, den Schweizer Albert Hauptreif, der Teil dieses Teams war.
Im Dezember 1937 kehrte sie nach Frankreich zurück.
Am 19. Dezember 1937 kam sie auf Empfehlung des Genosse Léon Jouhaux, dem Generalsekretär der CGT, zurück nach Spanien. Sie arbeitetete als Krankenschwester in verschiedenen Hospitälern der Internationalen Brigaden in Murcia (Pasionaria), Mataró und Gerona.
Claire kehrt im Juli 1938 nach Frankreich zurück.

Claire ( Chaffard) war als Operationsschwester der „Schweizer Ambulanz“ an den Fronten von Madrid und Aragon. Ich habe nie ein mutigeres Mädchen gesehen als diese ganz junge Französin. Ich sah sie, als die feindlichen Flieger über unserem mobilen Zelthospital an der Aragonfront kreisten. Mit ernstem, etwas träumerischem Blick schaute sie zu ihnen auf, gleichmütig, dann zuckte sie die Achseln: „Ich sehe sie doch täglich!“ Aber der Mut der Mutigsten ist überwundene Angst. Wir sehen es aus Claires tapferem und doch so ehrlichem Bericht:
„Sie sind fort! Jetzt erst wagen wir um uns zu blicken, die Bilanz ihrer Verbrechen festzustellen. Neben unserem „Auto-Chir“, in dem wir auch operieren, zwei Bahren mit zwei Leichen. Ein Mann mit aufgerissener Brust. Nachts fanden wir ihn. Die andre, ein Kind, mit bläulicher, blutunterlaufener Haut. Das Dorf steht jetzt, am Morgen, noch in Flammen und über die Landstraße eilen Frauen, Kinder, Greise, alle flüchten welchem Schutz entgegen? Nach Madrid!
Ein kleines Mädchen nimmt meine Hand. «Camarada! Ich habe Dornen in meinen Füssen stecken. Zieh sie doch heraus!» Ihre Füßchen sind bloß und schmutzig. Sie ist halb wahnsinnig über die brennenden Felder gelaufen. Gestern hatte ich ihr gesagt: „Ich kenne ein kleines Mädchen, das so hübsch wär, wenn es ein sauberes Gesicht und reine Knie hätte!“ Sie hatte mich mit der ernsten und anscheinend verständnislosen Miene angesehen, die den spanischen Kindern eigen ist, aber wenige Augenblicke später, als ich sie wieder neben mir auftauchen sah, glänzten Knie und Gesichtchen ganz frisch gewaschen. Sie wurde meine Freundin.
Wenn wir zu Mittag aßen, kam sie mit ihrer Schwester und hielt immer eine leere Konservenbüchse in der Hand, damit wir etwas hineintun sollten! Aber dann gab sie alles ihrer kleinen Schwester und sah ihr ernsthaft beim Essen zu. Und heute ist auch sie auf der Landstraße, ihr zarter Körper mit einem schweren Sack beladen. Auch sie ist auf der Flucht. Wir befürchten, dass einzelne Opfer des Bombardements irgendwo auf den Feldern liegen und gehen auf die Suche. Auf einem einsamen Weg, wo kein Mensch vorbeikommt, liegt im weißen Kalkstaub, unter der sengenden Sonne, eine alte Frau und blickt starr in den Himmel. Mein Kamerad und ich treten näher. Als sie uns sieht, bricht sie in Schluchzen aus, ein dumpfes erschöpftes Schluchzen, ohne Kraft. Sie ist gelähmt. In der Nacht hat man sie hierhergebracht, in den Schutz des offenen Feldes, dann, in Panik, hat man sie vergessen. Vielleicht sind die ihren tot, weil sie nicht wiederkamen? Ich bleib bei ihr, während mein Kamerad fortgeht, eine Bahre holen. Wir bringen sie dann zu einem Kontrollposten auf der Landstraße, wo eine Menge Frauen und Kinder auf einen Lastwagen warten. Sie wird als Erste nach Madrid transportiert. Nach Madrid! Das Tag für Tag im Feuer steht!
Aber wir haben nicht mehr Zeit auf unser Herz zu hören, wir müssen weiter. Auch diesmal müssen wir unser Hospital in aller Eile einrichten – die faschistischen Bomber über unserem Kopf. Jeder von uns arbeitet mit: Der Chirurg, der Chauffeur, der Koch. Alle. Und wir sind glücklich, wenn wir wieder einmal einen Rekord an Schnelligkeit aufgestellt haben, wenn aus einem verlassenen, schmutzigen Haus eine fast moderne Klinik wurde. Eingerichtete Zimmer, nummerierte Betten und über jedem die Fiebertabelle. Und wie stolz sind wir auf den Operationssaal mit seiner allermodernsten Einrichtung, mit dem Operationstisch, den starken elektrischen Apparaten, der Röntgenanlage und den Frigidaires.
Jedes Plätzchen ist ausgenutzt und wenn es für uns keines gibt, dann schlafen wir eben draußen, unter den zahllosen Sternen des spanischen Himmels! So haben wir die besten Logenplätze in diesem Theater, wo die Fliegerkämpfe über unseren Köpfen spielen. Ach, unsere Ohren sind gut geschult: Ein Motor surr? „Unserer“ ist es! Und dieser Lärm, der abwechselnd aufsteigt und sinkt? „Unsere“ Jagdflugzeuge! Mit welchem Herzklopfen verfolgen wir die Kämpfe unserer Helden! Jetzt wenden sie, jetzt steigen sie hoch! Wo ist der unsere geblieben? Oh, da ist er ja wieder!“
Wir wissen wohl, dass diese Kämpfe am Himmel stets der Auftakt zu den Kämpfen auf der Erde sind. Und wir machen alles bereit, um die ersten Verwundeten zu empfangen. Da sind sie schon drei Ambulanzen. Mit größter Vorsicht werden die Verwundeten herausgehoben. Ich blicke in die Augen der Kameraden und suche den Schmerz darin, aber sie bezwingen ihn. Jeder Zug ist beherrscht. „Bereite alles für eine Laparotomie vor“, sagt unser Chirurg. Der Anblick dieser jungen Menschen in Schmerzen hat mich erschüttert, aber ich weiß, sobald ich die Äthermaske über ihr Gesicht lege, sobald die Operation beginnt, werde ich nichts anderes mehr fühlen und denken als: Er muss gerettet werden! — Und wir haben viele gerettet. Einige allerdings sind gestorben. Der eine, ein polnischer Kamerad, der andere ein Italiener nach einer schweren Bauchoperation.
Nachts ging ich hin, er schlief, sein Atem ging nur noch ganz leise. Er schlug die Augen auf. Dunkle, tiefe Augen, die schon jenseits des Lebens waren, aber voll Sanftmut und Güte und Wissen um den Tod. «Agua! Camarada». sagte er leise. Am nächsten Morgen war sein Körper schon mit einem Laken bedeckt. Wir haben ihn auf dem kleinen Dorffriedhof begraben. Die Kameraden hatten für dieses Grab einen Felsblock gebracht und einen Großen, roten Stern hineingemeißelt. Darunter stand sein Name, ein unbekannter Name, aber für uns der Name eines Helden.
Die Dorfbewohner waren alle versammelt und die jungen Mädchen hatten große Mengen von Feldblumen gebracht. Wir legten ihn in die Erde, während ein Kamerad die letzten Worte des Abschieds sprach. Drei Salven ertönten. Und dann sangen wir die Internationale. Salud, Kamerad! Du schläfst in der spanischen Erde. Deine Mutter weiß noch nichts. Für sie und für alle jene, die um dich trauern werden, sage ich Dir einen letzten Gruß!
Heute Abend, wenn die Arbeit es erlaubt, werde ich schlafen gehen und von meiner Mutter träume und vom Gesang der Vögel zu Hause und wenn ich die Augen dann öffne, werden die teuflischen, niederträchtigen Vögel unserer Zeit über meinem Kopfe kreisen und ihre Bomben werfen.
Vor einigen Tagen war ich in Barcelona. Da flüsterte jemand hinter mir: «Die Schweizer Ambulanz!» Ich wandte den Kopf. Es war ein junger Milizionär. „Erinnerst Du Dich, Kameradin—Brunete? Du warst damals bei mir als ich operiert wurde.“ Ich konnte in diesem lächelnden Gesicht kaum jenes andere erkennen, das damals von Blut befleckt war. Er nimmt seine Kappe ab und auf seinem Kopf sehe ich weiße Haare in Zick-Zack Linien, sie zeigen genau die Stellen der Trepanation.
Und während er zu mir spricht, empfinde ich unbeschreibliche Glückseligkeit. Ohne uns wäre er gestorben, ohne uns wäre er tot.
(Auszug aus „Wir kämpften mit! Antifaschistische Frauen vieler Nationen berichten aus Spanien“ von Gusti Jirku, S. 45-49)

 
Quelle: Information von Ana Perez - Asociacion de Amigos de las Brigades Internationales Madrid;
Fernanda Romeu Alfaro: Mujeres en las Brigadas Internationales;
Moskauer Archiv RGASPI (BDIC, Mfm 880/9, 545.6.1116,  RGASPI. F. 545. Op. 6. Ä. 1038
http://brigadesinternationales.fr/wiki/Accueil;
Peter Hubert, Los voluntarios suizos en la guerra civil española , Silente, 2010
Foto aus „Wir kämpften mit! Antifaschistische Frauen vieler Nationen berichten aus Spanien“ von Gusti Jirku (Herausgegeben von Ayuda Medica Extranjera) 1937)


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