Hammermann, Anna Dr. (Anja)

                Hammermann, Anna   

Sie wurde am 17.03.1907 in Drohobycz (Galizien) geboren. 1914 flüchtete Anna mit ihren Eltern aus Galizien nach Wien. Die wirtschaftliche Lage der Familie war schwierig. Der Vater wurde für zwei Jahre in die österreichische Armee eingezogen, die Mutter bestritt mit Näharbeiten den Lebensunterhalt für sich und ihre drei Kinder.
Den Schulbesuch musste sich Anna durch Nachhilfeunterricht finanzieren. 1924 schloss sie sich der sozialistischen Mittelschülerbewegung an, zwei Jahre später trat sie der Kommunistischen Partei bei. Sie engagiert sich in der Frauen- und Jugendarbeit sowie in der Kommunistischen Studentenorganisation Kostufra, in der sie Schriftführerin und Kassiererin war. 1927 wurde sie Mitglied der Roten Hilfe.
Am 15. Juli 1927 wurde Anja mit 70 weiteren Genossen in einer Mensa zum ersten Mal festgenommen, nach einigen Stunden aber wieder freigelassen. Zu ihrer zweiten Verhaftung kam es, als am 7. Oktober 1928 die Heimwehr in der Wiener Neustadt aufmarschierte und auch der Republikanische Schutzbund (Organisation der österreichischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei) zu einer Manifestation aufrief.
Die Eltern machten ihr Vorwürfe wegen ihrer kommunistischen Aktivitäten, deshalb zog Anja aus der elterlichen Wohnung aus.
Um ihr Studium finanzieren zu können, arbeitete sie neben dem Medizinstudium als Kindergärtnerin und Krankenschwester.
Anja setzte ihre politische Tätigkeit fort und wurde im August 1931 erneut bei einer Antikriegsdemonstration verhaftet.
Nach ihrer Promotion am 24. Februar 1933 arbeitete sie einige Monate in einem Wiener Krankenhaus.
Anja emigrierte 1933 in die Sowjetunion und arbeitete als Kinderärztin in einem Moskauer Kinderkrankenhaus.
Neben ihrer Arbeit im Krankenhaus besuchte sie 1933/34 und 1935/36 die Lehrgänge der Kommunistischen Abenduniversität.
Sie ging von dort nach Spanien und kam am 27. Dezember 1937 in Spanien an. In Barcelona traf sie auf Dr. Fritz Jensen, den sie noch aus der gemeinsamen Zeit an der Universität in Wien kannte und der nun medizinischer Leiter des Krankenhauses der Internationalen Brigaden in Benicàssim war.
Nach einem kurzen Aufenthalt in Albacete, dem Hauptquartier der Internationalen Brigaden, kam Anja nach Murcia. Sie war in dem Krankenhaus tätig, das in der Universität untergebracht war.
Anja schrieb: „Die Hospitäler von Murcia waren auch kulturelle Zentren, weil die Verwundeten und das medizinische Personal sehr eng mit der Bevölkerung der Stadt verbunden waren. [...] Jugendliche und Kinder kamen, um an künstlerischen Programmen zu Literatur und Politik teil zu nehmen.
„Für die Kinder haben wir eine Ambulanz eingerichtet, in der ich den kleinen Kranken Ratschläge gegen die Mangelernährung, Infektionskrankheiten und Augenkrankheiten gab. Es gab nämlich einen großen Mangel an Ärzten für die Zivilbevölkerung und es war ein großer Gewinn für die benachteiligten Kinder, die hier medizinische Hilfe bekommen konnten.“
Im April 1938 erfolgte mit dem letzten Zug die Evakuierung des Krankenhauses nach Katalonien. Am 11. April 1938 kam Anja im Krankenhaus von Mataró an, in dem sie als Chirurgin tätig war und außerdem in einem Kinderhilfskomitee aktiv war. 
Dort lernte sie Dr. Michael (Mischa) Perilman kennen, der in Frankreich Medizin studiert hatte und bereits im Oktober 1936 als Arzt zum Sanitätsdienst der Internationalen Brigaden gekommen war.
Anja schrieb über die Situation während der schweren und verlustreichen Kämpfe: „In Mataró, dem einzigen chirurgischen Zentrum der Interbrigaden in Katalonien, hat man Tag und Nacht gearbeitet. In der Nacht kamen mit neuen Transporten immer mehr Verwundete. Die häufigen Bombardierungen ließen die Fenster und Wände erbeben. Das medizinische Personal, Ärzte und Krankenschwestern sowie die Hospitaldirektion unternahmen alles um sicher zu gehen, dass unsere Verwundeten die Ruhe bewahrten. Wir stellten ein Bett neben das andere, um unter diesen Umständen Panik zu vermeiden.
Unsere jungen Krankenschwestern waren bewundernswert in ihrer Fürsorge für die Kranken. Ich denke mit Stolz an diese jungen Mädchen, die nicht ausgebildet waren, aber die gelernt hatten, bei chirurgischen Eingriffen zu assistieren. Sie haben uns geholfen Frakturen zu behandeln und haben sich auf die Behandlung von Wundinfektionen spezialisiert.
Die Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Krankenschwestern ließ nichts zu wünschen übrig, sie war absolut perfekt. Trotz der sehr schwierigen Situation an der Front hat uns diese Harmonie und Brüderlichkeit immer mit Hoffnung erfüllt. Jeder arbeitete mit viel Enthusiasmus und Hingabe.“
Im September 1938 wurden die Internationalen Brigaden von der Front zurückgezogen und es gab eine große Abschiedsparade in Barcelona, an der auch Anja teilnahm:
„Wir marschierten mit den vielen Freiwilligen vom Sanitätsdienst an der Seite unserer Mitkämpfer durch die schönen Straßen der katalanischen Hauptstadt. Es war sehr bewegend. Viele Frauen in den Straßen weinten und auch bei uns blieben die Augen nicht trocken.
Es war so traurig, dieses große, mutige, spanische Volk verlassen zu müssen. Beim Vorbeimarsch an der Tribüne haben wir Halt gemacht, um die Abschiedsansprache von Pasionaria zu hören.
Sie sagte, dass Spanien als befreites Land uns allen, als Teil ein und derselben Familie, Heimat sein werde.
Und wir haben unsererseits versprochen, das spanische Volk weiter im Kampf zu unterstützen.“
Und Anja schloss ihre Erinnerungen mit folgenden Worten: „Wir hatten einer guten Sache gedient. Wir waren geleitet von unserem gerechten Kampf. Unsere Teilnahme am Spanischen Krieg wird immer ein Beispiel für jene sein, die die Freiheit lieben und bereit sind, sie unter großen Opfern zu verteidigen.“
Mit dem Vorrücken der Franco-Truppen musste das Hospital von Mataró evakuiert werden.  Das Hospital in S’Agaró wurde Anjas letzter Einsatzort in Spanien, vor dem Marsch in Richtung der französischen Grenze.
Nach dem Grenzübertritt konnte Anja in einem Krankenhaus in Perpignan arbeiten. Sie fand dort auch ihren Mann wieder, von dem sie nach der Evakuierung der Krankenhäuser getrennt worden war.
Es gelang ihr, nach Großbritannien zu emigrieren, und auch ihr Mann konnte nach mehrmonatiger Internierung in französischen Lagern, am 1. September 1939 Frankreich verlassen und folgte ihr nach Großbritannien. In der englischen Emigration setzten beide ihren Kampf gegen den Faschismus fort.
Anja Mitglied der Association of Austrian Doctors in Great Britain und Verfasserin eines Informationsbriefes vom 1. Februar 1943. In diesem wird an die britischen Behörden appelliert, die Emigranten als gleichberechtigte Alliierte im Kampf gegen den Faschismus anzuerkennen.
Nach der Befreiung 1945 ging sie mit ihrem Ehemann Michael Perilman nach Jugoslawien. Dort war sie politischen Repressalien ausgesetzt, deshalb emigrierte das Ehepaar1951 nach Israel.
Anja war bis zu ihrer Pensionierung als Kinderärztin der gewerkschaftseigenen Krankenversicherungsgesellschaft Kupat Holim Clalit tätig.
Sie setzte sich für die jüdisch-palästinensische Verständigung ein und gründete einen binationalen Kindergarten, für den sie auch bei Besuchen in Wien um Unterstützung warb.
Anja Hammermann starb im November 1994 in Israel.
 
Quellen: Renèe Lugschitz: Spanienkämpferinnen -  LIT Verlag Münster;
Moskauer Archiv Akte RGASPI 545-1-76; RGASPI 545-1-76, RGASPI. F. 545. Op. 6. Ä. 30, RGASPI. F. 545. Op. 6. Ä. 48
biografiA: Lexikon österreichischer Frauen, Band 1 S. 1173;
https://www.doew.at/erinnern/biographien/spanienarchiv-online