Jirku, Auguste (Gusti)
geborene Mayer, verh. Stridsberg - Österreich
Gusti wurde am 22.08.1892 in Czernowitz (Bukowina) als einzige Tochter eines
reichen Bankiers jüdischer Herkunft, der einst dem Sozialismus nahestand,
aber praktizierender Katholik war, geboren. Gusti erhielt eine sorgfältige
Erziehung, die von einer französischen oder englischen Gouvernante begleitet
wurde. Sie reiste während der Winter- und Sommerferien mit ihren Eltern oft
ins Ausland, nach Italien, in die Schweiz, in die Niederlande, nach Belgien
und in das Vereinigte Königreich, weshalb sie schon früh mehrere Sprachen
beherrschte. 1904 trat sie in das Schwarzwald-Gymnasium ein. Ihr Vater starb
im Jahr darauf an einem Herzinfarkt. Sie erhielt nach einem Aufenthalt auf
der Isle of Wight im Winter 1912-1913 ein Diplom, das ihr erlaubte, Englisch
an österreichischen Mittelschulen zu unterrichten.
Während des Ersten Weltkriegs arbeitete sie achtzehn Monate lang als
Krankenschwester im Allgemeinen Krankenhaus in Wien. Hier lernte Gusti ihren
zukünftigen Mann Bernhard Jirku kennen, einen Medizinstudenten aus
Böhmen-Mähren. Bernhard Jirku, der aus einer böhmischen Militärfamilie
stammte, meldete sich im Sommer 1915 freiwillig an die italienische Front.
Während eines Urlaubs in Wien im Januar 1916 teilte er Gusti mit, dass er
seinen Glauben an den Krieg verloren habe. Dennoch ging er wieder an die
Front.
Gusti gab ihre anstrengende Arbeit im Krankenhaus auf und begann
Kunstgeschichte zu studierte. Gusti und Bernhard heirateten im Dezember
1916. Gusti folgte ihrem Mann nach Cernica/Slowenien, wo Bernhard, der an
Diabetes litt, in ein Krankenhaus ins Hinterland versetzt worden war.
1918 zog das Paar auf den Familienbesitz der Mayers in Hartenstein, in der
Nähe der südsteirischen Stadt Slovenj Gradec. Für Gusti häuften sich die
Schicksalsschläge. Sie verlor ihre Mutter, erfuhr von den Seitensprüngen
ihres Mannes und musste aufgrund der Inflation und der durch die
Handelspolitik der Belgrader Regierung bedingten geringeren
landwirtschaftlichen Einkünfte eine Schmälerung ihres Vermögens hinnehmen.
Sie stellte sich jedoch der Situation, brachte ihre Tochter, Marietta, zur
Welt, verwaltete das Anwesen, pflegte einen mondänen Lebensstil und lernte
Slowenisch.
Auf der Suche nach einem neuen, nützlicheren und weniger ungerechten Leben
begeisterte sie sich für den großen slowenischen christlich-sozialistischen
Schriftsteller Ivan Cankar dessen Werke, in denen er die sozialen Missstände
anprangerte, sie ins Deutsche übersetzte und die um die 1930er Jahre in Wien
veröffentlicht wurden.
Nach der Trennung von ihrem Mann beschloss sie, von ihrer
schriftstellerischen Tätigkeit zu leben, und näherte sich allmählich der
kommunistischen Idee an. Im Winter 1929/30 schrieb sie in Hartenstein an
einem Roman, der 1931 in Deutschland veröffentlicht und von Thomas Mann
gelobt wurde. Sie entschied sich, nach Wien zu ziehen, nachdem ihre Tochter
in eine Pension in der Schweiz abgereist war.
In Wien traf Gusti den Chefredakteur der Tageszeitung „Der Wiener Tag“, der
ihr vorschlug, nach Moskau zu reisen, um über das Leben in der Sowjetunion
zu berichten. Sie reiste Anfang 1932 für drei Monate nach Moskau. Die
Bezahlung ihre Artikel wurde auf ein Konto in Österreich überwiesen, so dass
sie gezwungen war, sich eine Arbeit zu suchen, um ihren Lebensunterhalt zu
bestreiten. Durch Vermittlung des Schriftstellers Egon Erwin Kisch wurde sie
beim Auslandsrundfunk angestellt und betreute die Korrespondenz in
Französisch und Englisch. So konnte sie in Moskau ihren Lebensunterhalt
bestreiten.
Gusti kehrte nach Wien zurück. Im Sommer 1932 lernte sie Vilim Horvaj
kennen, den ehemaligen Sekretär des Kommunistischen Jugendverbands
Jugoslawiens (SKOJ) in Kroatien, der 1929 das Land verlassen musste, um
einer fünfjährige Zwangsarbeitsstrafe zu entgehen. Sie wurde zu seiner
Kontaktperson und Geliebten. Sie nutzte ihre Tätigkeit als Journalistin und
ihren tschechoslowakischen Pass für gefahrvolle Aufträge in Slowenien und
später an der kroatischen Küste, unterbrochen durch einen Aufenthalt in Genf
als Korrespondentin des Wiener Tags beim Völkerbund.
Im Herbst 1933 kehrte sie mit Vilim Horvaj nach Moskau zurück. Gusti wurde
beauftragt, die Herausgabe von KIM-Artikeln für ausländische kommunistische
Jugendverbände zu betreuen. Gusti besuchte Kurse an der Kommunistischen
Universität für nationale Minderheiten des Westes (KUNMZ) und war im
Juli/August 1935 Dolmetscherin auf dem VII. Kongress der Kommunistischen
Internationale.
Sie verließ die Sowjetunion, um ihre Tochter Marietta in der Schweiz zu
besuchen. Sie setzte sich mit dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei
Jugoslawiens (KPJ) in Verbindung, um zu erreichen, dass Vilim nach Paris
versetzt wird, um ihn vor einer möglichen Inhaftierung in der Sowjetunion zu
retten.
Im Februar 1936 wurde Gusti in Saarbrücken verhaftet. Dank ihrer Schweizer
Bekannten wurde sie freigelassen und reiste im April nach Prag und im
Dezember nach Paris, um von dort aus nach Spanien zu reisen.
Im Januar 1937 kam Gusti in Spanien an. Nach Stationen in Barcelona und
Albacete wurde sie zunächst als chirurgische Hilfskraft in Murcia
eingesetzt. Nach ihrer Krankheit im Mai 1937 wurde sie nach ihrer Genesung
nach Albacete versetzt. Hier arbeitete sie als Sekretärin für die drei
Leiter des Gesundheitsdienstes der Internationalen Brigaden, des Bulgaren
Cvetan Kristanov, genannt Oskar Telge, Vasil Kolarov, genannt Franek und des
Deutschen Gustav Gundelach.
Später war Gusti stellvertretende Redakteurin der Wochenzeitung Ayuda
Medical Internacional (AMI), die in Spanisch, Deutsch, Französisch und
Englisch erschien. Sie nahm an der Konferenz der antifaschistischen Frauen
Spaniens am 30. Oktober 1937 in Valencia teil.
Im Juni 1938 arbeitete sie in Barcelona und war die Autorin und
Herausgeberin der Broschüren "Kampf dem Tode. Die Arbeit des
Sanitätsdienstes der Internationalen Brigaden" (1938) und "Wir kämpfen mit!
Antifaschistische Frauen vieler Nationen berichten aus Spanien" (1938).
Im Juni 1938 reiste sie von Barcelona aus nach Paris. Hier schrieb sie
Feuilletons für die "Pariser Tageszeitung", reiste auch nach Antwerpen und
hielt dort einen Vortrag über das Schicksal der spanischen Kinder. Mit
Unterstützung des sozialistischen Bürgermeisters der Stadt, Camille
Huysmans, erhielt sie eine Aufenthaltsgenehmigung für Belgien, reiste aber
im Oktober 1938 nach Kopenhagen, wo sie einen letzten Brief von Vilim Horvaj
erhielt, und ließ sich Anfang 1939 dauerhaft in Stockholm nieder. Sie
veröffentlichte Artikel in der feministischen und antinazistischen Presse.
Da ihr Antrag auf Einwanderung in die USA abgelehnt wurde und sie
befürchtete, aus Schweden ausgewiesen zu werden, heiratete sie den
schwedischen Kommunisten und Interbrigadisten Hugo Stridsberg, um die
schwedische Staatsbürgerschaft zu erhalten.
Von 1941 bis zum Ende des II. Weltkrieges arbeitete sie als Kundschafterin
für den sowjetischen Geheimdienst NKWD.
In Schweden veröffentlichte sie 1946 ein erstes autobiografisches Buch über
Jugoslawien (Skuggspel i Jugoslavien). Sie verfasste ihre Memoiren, die 1961
in Hamburg veröffentlicht wurden.
Ihre Tochter Margietta Voge geb. Jirku war eine berühmte Parasitologin.
Auguste Jirku starb am 13.3.1978 in Lidingö/Schweden.
Quelle: http://www.doew.at/erinnern/biographien/spanienarchiv-online;
Erzählungen aus dem spanischen Bürgerkrieg - Radio Oberösterreich;
Gusti Jirku "Wir kämpfen mit! Antifaschistische Frauen vieler Nationen
berichten aus Spanien" (1938)
Hervé Lemesle „Parce que tout ce qui est difficile était facile »? Les
femmes de Yougoslavie et la guerre d’Espagne“
https://maitron.fr/spip.php?article246607
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