Noce, Teresa verh-
Longo - Italien
Am 29. Juli 1900 in Turin geboren, war Teresa zunächst in der
Sozialistischen Partei organisiert, trat aber bei der Spaltung der Partei
1921 in Livorno in die Kommunistische Partei (IKP) ein, der sie im Grunde
fast ein Leben lang treu bleiben wird.
In der Kommunistischen Jugendföderation wurde sie erstmals journalistisch
tätig, sie schrieb für „Il grido della gioventú“, den „Ruf der Jugend“, und
gehört zum Herausgeberkreis. Probleme mit der Polizei und der Justiz
gehörten inzwischen zum Alltag und nur ein Zufall wollte es, dass sie 1923
ihr erstes Kind Luigi Libero nicht im Gefängnis San Vittore bekam. Teresa
heiratete 1925 Luigi Longo. Ihr zweites Kind, Pier Giuseppe starb nach
kurzer Zeit an Meningitis.
Schon vor der Annahme der faschistischen Ausnahmegesetze wurde für das junge
Paar die Situation in Italien immer gefährlicher und die Partei beschloss,
dass beide in die Sowjetunion emigrieren. Immerhin erfüllte sich damit 1926
Teresas Wunsch, das Land Lenins zu besuchen. 1927 und 1928 absolvierte sie
Kurse an der Internationalen Lenin-Schule in Moskau, gehörte dann mit Longo
der Auslandsleitung der IKP in Paris und Lugano an und nahm 1928 am VI.
Weltkongress der Kommunistischen Internationale teil. 1929 kehrte Teresa
nach Paris zurück, wo ihr dritter Sohn Giuseppe Poutiche geboren wurde.
Aber sie wollte den antifaschistischen Kampf in der Heimat, im
faschistischen Italien, nicht nur aus der Ferne beobachten und bat deshalb
darum, illegal nach Italien geschickt zu werden. Es soll Togliatti gewesen
sein, der ihr den Kampfnamen „Estella“ (Stern) gab, den sie dann auch in
Spanien tragen sollte.
Zurück aus Italien, wo sie sich um den Wiederaufbau der illegalen Partei und
um die sozialen Kämpfe in der Textilindustrie gekümmert hatte, wurde sie in
Paris vornehmlich publizistisch tätig.
Mit Xenia Sereni gründete sie die Zeitschrift „Noi donne“ (Wir Frauen),
leitete die Zeitschrift der Informationsstelle der italienischen Emigranten
in Frankreich „Il Grido del Popolo“ (Der Ruf des Volkes) und gab die
Zeitschrift der italienischen Sektion des Welt-Frauenkomitees gegen
Faschismus und Krieg „La Voce delle donne“ („Die Stimme der Frau“) heraus.
Nach dem Putsch der Generäle begann im Juli 1936 der Krieg in Spanien. Luigi
Longo, Mitglied des Zentralkomitees der IKP, war unter den ersten der hohen
Funktionäre, die von ihren Parteien nach Spanien geschickt wurden.
Am 22. Oktober bat er im Auftrag der Komintern gemeinsam mit Pierre Rebiére
und Stefan Wisniewski den spanischen Ministerpräsidenten Largo Caballero um
die Erlaubnis, aus den tausenden sich schon im Lande befindlichen
ausländischen Sympathisanten der Republik internationale Brigaden bilden zu
dürfen. Nachdem er zunächst Kommissar der neu aufgestellten XII. Brigade,
die den höchsten Anteil italienischer Freiwilliger hatte, geworden war,
übernahm Longo die Funktion des Generalinspekteurs/Generalkommissars der
Internationalen Brigaden.
In Frankreich konnte Teresa Noce ihr Buch „Gioventù senze sole“ („Jugend
ohne Sonne“) fertigstellen, danach kam sie im Februar 1937 nach Spanien. Im
Allgemeinen war sie hier nur als „Estella“ bekannt. Gemeinsame Stunden mit
Longo gab es nur wenige, denn die Funktionen beider ließen ein Eheleben
nicht zu. Teresa gehörte wie ihr Gatte dem Leitungskollektiv der
italienischen Kommunisten in Spanien an, ihre wichtigste Aufgabe aber war
die Journalistik. So berichtete sie für drei in Frankreich erscheinende
italienische Zeitungen: Die „La voce degli Italiani“, zu dieser Zeit eine
Art Einheitsfront-Zeitung von Kommunisten und Sozialisten, die von 1937 bis
1939 erschien und die zunächst von Giuseppe di Vittorio geleitet wurde, der
ebenfalls nach Spanien gegangen und dort zuerst Kommissar der XI., dann der
XII. Brigade gewesen und nach seiner Verwundung am Guadalajara im März 1937
nach Frankreich zurückgekehrt war. Teresa schrieb auch für „Il Grido del
Popolo“ und für „L´Unitá“, das Zentralorgan der IKP.
Ihre wichtigste Arbeit aber war neben der Leitungsfunktion im Sektor Presse
und Propaganda im Generalkommissariat die Chefredaktion des „Il Volontario
della Libertà“, der italienischen Ausgabe des Organs des Kommissariats „El
Volontaire de la Liberté“, und die Redaktion des „Il Garibaldini“, der
Zeitschrift des Garibaldi-Bataillons der XII. Brigade. Zusätzlich verfasste
sie 1937 eine Broschüre über die Schlacht am Guadalajara, im gleichen Jahr
eine weitere Broschüre unter dem Titel „Tra gli eroi ed i martiri della
libertà“ (Bei den Helden und Märtyrern der Freiheit) über Verwundete und das
Sanitätswesen der Internationalen Brigaden und 1938 unter dem Titel „Teruel:
Martirio e liberazione di un popolo“ (Teruel: Leiden und Befreiung eines
Volkes) eine Broschüre über die Schlacht um Teruel.
Als der erst 31 Jahre alte Nino Nanetti, als Teniente-Colonel Kommandeur der
2. Baskischen Division bei einem Angriff der faschistischen Luftwaffe im
Juni bei Zalla verwundet wurde und im Juli 1937 im Krankenhaus
verstarb, veröffentlichte „Estella“ unter dem Titel „Nino Nanetti, generale
della Republica spagnola morto per la Libertá“ eine weitere Broschüre. Den
Italienischen Freiwilligen, die immerhin das drittgrößte Kontingent aller
Interbrigadisten stellten, war das Buch „Garibaldini in Ispagna“ (Madrid
1937) gewidmet, das sie zusammenstellte und für das sie das Vorwort schrieb.
„Estella“ war auch die Beauftragte der IKP beim Zentralkomitee der KP
Spaniens, für deren Parteiverlag sie das Heft „Rede vor kommunistischen
Freiwilligen“ schrieb.
Hatte sie anfangs noch in Madrid im „Haus der Interbrigaden“ gewohnt,
übersiedelte sie später nach Barcelona.
Im Mai 1938 hatte sie mit ihren Mitarbeitern eine kleine Villa im Stadtteil
Horta bezogen, wo sich auch die aus Albacete evakuierte Base der
Interbrigaden befand, bekam aber gleich darauf den Auftrag, für die
Organisierung einer Solidaritätskampagne in die USA zu reisen. Da die
US-Behörden keine politischen Gründe dafür fanden, verweigerten sie ihr das
Einreisevisum wegen einer angeblichen Erkrankung, von der Teresa Noce selbst
nichts wusste. Die Untersuchungen hatten in Frankreich stattgefunden,
eigentlich wollte sie danach nach Spanien zurückkehren, was aber wegen der
bevorstehenden Auflösung der Internationalen Brigaden nicht mehr notwendig
war.
Letztlich teilte sie das Schicksal aller Spanienkämpfer, die nicht mehr in
ihre Heimatländer zurück konnten: Sie wurde interniert. Zunächst im
Vélodrome d´Hiver, der Radsporthalle in Paris, dann im Frauenlager Rieucros.
Als Mitglied des ZK der IKP hatte sie auch dort eine leitende Funktion,
erlebte die Kapitulation Frankreichs im Lager, wurde dann aber entlassen,
weil die sowjetischen Behörden für sie eine Übersiedlung in die UdSSR
organisieren wollten. Diese Pläne wurden aber durch den deutschen Überfall
auf die Sowjetunion zunichtegemacht und Teresa musste in die Illegalität
gehen.
Sie schloss sich in Marseille dem französischen Widerstand, speziell den
Francs-tireurs et partisans – main d´œuvre immigrée (FTP-MOI) an. Auch hier
kam ihr zugute, dass nur ganz wenige Funktionäre ihre wahre Identität
kannten. Der Partei war es inzwischen gelungen, ihre beiden Söhne in die
Sowjetunion zu bringen.
Bei einem Auftrag in Paris wurde sie 1943 durch die französische Polizei
verhaftet, die durch Verrat auf sie aufmerksam geworden war. Wenige Zeit
später lieferten die französischen Behörden sie an die deutschen Besatzer
aus. Diese brachten sie nach Deutschland, zuerst ins KZ Ravensbrück
und dann in ein Außenlager des KZ Flossenbürg. Dieses KZ in Holleischen
(Holýšov) befand sich in der Nähe der Stadt Pilsen (Plzeň) im „Reichsgau
Sudetenland“.
Hier musste sie Zwangsarbeit in einer Munitionsfabrik leisten. Am 3. Mai
1945 wurde das KZ von Kämpfern der polnischen Untergrundarmee Narodowe Siły
Zbronje befreit und Teresa konnte über Frankreich, wo sie kurzzeitig wieder
im gleichen Gefängnis wie 1943 inhaftiert, aber nach einem wütenden Artikel
von André Marty in der „L´Humanité“ wieder freigelassen wurde, wieder nach
Italien zurückkehren.
Noch immer dem ZK der IKP angehörend, wurde sie von der Partei in die
„Consulta“ delegiert, einer Institution, der alle Parteien angehörten und
die die Regierung beriet. Außerdem wurde sie Mitglied des Parlaments und war
beteiligt an der Ausarbeitung der neuen Verfassung. Aktiv wurde sie vor
allem in der Textilarbeitergewerkschaft, später auch im
Weltgewerkschaftsbund.
Ein schwerer Schlag traf sie 1953, als sie aus dem bürgerlichen „Corriere
della Serra“ erfuhr, dass mit ihrer angeblichen Zustimmung in Milano ihre
Ehe mit Longo annulliert worden sei. Longo hatte schon seit längerer Zeit
mit der 1913 geborenen Bruna Conti zusammengelebt und Teresa war mit einer
einvernehmlichen Trennung einverstanden, nicht aber mit einer Annullierung,
die bedeutete, dass eine Ehe nie bestanden hätte. Das hätte auch in Hinsicht
auf ihre beiden Söhne, die inzwischen mit ihren Partnerinnen aus der
Sowjetunion zurückgekehrt waren, einen schweren Schlag bedeutet, denn damit
wären ihre Eltern nie verheiratet gewesen. In Italien gab es in dieser Zeit
keine Scheidung, nur eine einvernehmliche Trennung oder die Annullierung der
Ehe.
Als Teresa im obersten Führungskreis der IKP gegen Longos Handlung
protestierte, stieß sie auf Ablehnung und wurde schließlich aus dem
Zentralkomitee ausgeschlossen. Erst in den 70er Jahren, als das auch in
Italien möglich war, wurde die Ehe geschieden.
1958 kandidierte Teresa Noce auch nicht mehr für das Parlament, sie
konzentrierte sich voll auf ihre gewerkschaftliche Tätigkeit.
Inzwischen hatte sie auch mehrere Bücher geschrieben, das Verhältnis zu
ihren Söhnen und zu ihrem Enkel war eng und herzlich, selbst zu Luigi Longo
waren die Beziehungen kameradschaftlich geblieben. Aber selbst als sie sich
mehr und mehr aus dem politischen Leben zurückzog, fühlte sie sich nie
alleine. Als eine Art Vermächtnis schrieb sie: „Ich bin nicht allein...Nur
diejenigen, die es wollen, die nicht mit anderen kommunizieren, diejenigen,
die ausschließlich für sich selbst leben. Aber wer Kommunist ist und bleibt,
der sich für alles und jeden interessiert, der sich in Ereignisse und Kämpfe
verwickelt fühlt, fühlt sich nicht allein und ist es nicht.“
Ihr Motto aber war und blieb: „Wer nichts anderes hat, muss zumindest stolz
bleiben.“
Am 22. Januar 1980 ist Teresa Noce in Bologna gestorben. In Turin, Bologna,
aber auch in kleineren Orten wie z.B. in Mosciano Sant´Angelo, einer
Gemeinde in den Abruzzen, wurden Straßen und Plätze nach ihr benannt.
Quelle: Teresa Noce (Estella): „Wer nichts anderes hat, muss zumindest stolz
bleiben!“ Dr. Werner Abel (mit Genehmigung des Autors)
Augisto Cantaluppi / Marco Puppini “Non avendo mai preso un fucile tra le
mani“ Foto mit Genehmigung der Autoren Augisto Cantaluppi / Marco Puppini