Picqueray, Marie-Jeanne (May)

            Picqueray, Marie-Jeanne   
Sie wurde am 8. Juli 1898 in Savenay, Frankreich, geboren und wuchs in der kleinen bretonischen Küstenstadt Saint-Nazaire auf. Nach einigen Jahren in Kanada, kam sie am Ende des Ersten Weltkriegs, nach einer bereits gescheiterten Ehe, nach Paris zurück.
Sie fand Arbeit als zweisprachige Dolmetscherin und Schreibkraft, heiratete einen Marineoffizier, von dem sie sich wieder scheiden ließ.
1918 arbeitete sie als Stenotypistin am Institut für Geographiegeschichte in Paris. Durch den Medizinstudent Dragui Popourtch wurde sie Anarchistin. Sie hörte Vorträge des anarchistischen Intellektuellen Sébastien Faure und schloss sich der Gruppe der Jeunesses Libertaires an.
May lernte 1921 den Kriegsdienstverweigerer und Anarchisten Louis Lecoin kennen und teilte seine Abscheu des Krieges.
Gemeinsam mit Louis Lecoin gründeten May und anderen Anarchisten ein Unterstützungskomitee für Sacco und Vanzetti. Die beiden italienischen Anarchisten wurden in den USA fälschlicher Weise wegen Raubmordes zum Tode verurteilt und trotz internationaler Proteste am 22. August 1927 hingerichtet.
Sie begann eine Arbeit als Verwaltungssekretärin des Metallverbandes und nahm 1922 an der Konferenz der Gewerkschaft CGT in St-Etienne teil, aus der die CGTU hervorging.
Als Vertreterin der Metallarbeiterföderation reiste sie 1922 zum Kongress der Roten Gewerkschafts-Internationale nach Moskau.
Sie verließ kurz danach die CGTU, arbeitete als Korrektorin in einer Regionalzeitung und war dann für drei Jahre die Sekretärin von Emma Goldman in St. Tropez.
May war nicht verheiratet, hatte aber drei Kinder, die sie als alleinerziehende Mutter und Aktivistin in schlimmen Zeiten über Wasser halten zu musste. Deshalb engagierte sie sich besonders für die Flüchtlingskinder aus Spanien. May arbeitete mit dem "Comité d'Aide aux Enfants Espagnols" zusammen. Die Kinder der anarchistischen spanischen Kämpfer wurden nach Frankreich geschickt, während die Eltern noch kämpften und hofften. May war am Aufbau von Kinderkolonien durch das Comité beteiligt und half den Eltern ihre Kinder in Frankreich wieder zu finden.
Im Jahr 1940 half sie in Toulouse Flüchtlingen, die in den Lagern Südfrankreichs interniert waren. Insbesondere in Vernet gelang es ihr, mehrere Internierte, die direkt von den Nazis bedroht waren, zur Flucht zu verhelfen.
Sie ging nach Paris, wo sie mit anarchistischen Freunden ein Fluchthilfenetz aufbaute und falsche Ausweise herstellte. May schloss sich keiner der großen Résistance-Organisationen Frankreichs an. Sie blieb unabhängig. Ihre Tochter Sonia war in der Résistance als Verbindungsfrau verschiedener bewaffneter Gruppen auf dem Lande tätig. 
Nach dem Krieg blieb May der anarchistischen Bewegung verbunden. Vor allem setzte sie sich für eine Kampagne von Louis Lecoin ein. In dieser Kampagne ging es darum, dass  für die in Frankreich zum Teil bereits jahrelang inhaftierten Kriegsdienstverweigerer freigelassen werden und es ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung geben soll. Diese Kampagne endete mit einem Kompromissgesetz, nach welchem Kriegsdienstverweigerer ein Jahr in der Forstwirtschaft als Ersatzdienst arbeiten konnten, der zudem noch der Armee unterstand. Viele Kriegsdienstverweigerer zogen jedoch Haftstrafen von mehreren Monaten diesem Kompromiss vor.
1971 starb Louis Lecoin, der politische Weggefährte Mays. Für sie war das eine große Tragödie.
May Picqueray unterstützte die ökologischen Bewegungen der siebziger Jahre. Noch im Alter fand sie sich von der Nach-68er-Bewegung ermutigt und bestätigt und erhoffte sich von den jugendlichen Aktivistinnen die Erfüllung ihrer Ideale.
Die letzte Massenaktion, an der sie teilnahm, war die internationale Demonstration von 60.000 Menschen gegen die Atomzentrale in Malville am 30.01.1977.
May Picqueray starb 3. November 1983 in Paris.
 
Quelle: Die Aufsässige - May Picqueray(1898 - 1983)
https://www.ephemanar.net/novembre03.html und Foto;
May Picqueray – Wikipedia