Sheepshanks, Mary - Großbritannien
Mary wurde am 25. Oktober 1872 im Pfarrhaus Bilton in der Nähe von
Harrogate, North Yorkshire, als zweites der dreizehn überlebenden Kinder
von John Sheepshanks und seiner Frau Margaret Ryott geboren. Ihr Vater
wurde später Bischof von Norwich.
Mary hatte ein schwieriges Verhältnis zu ihrem Vater. Ihr Vater war für
Mary das wichtigste Mitglied der Familie. Sie war ihm nicht wichtig, was
sie sehr schmerzte. Daher Mary versuchte nicht mehr seine Aufmerksamkeit
zu erlangen, sondern ging ihren eigenen Weg. Sie lehnte sogar seinen
religiösen Glauben ab.
Mary besuchte die Liverpool High School for Girls. Als siebzehnjährige
wurde sie 1889 nach Deutschland geschickt, um die Sprache zu lernen. Mary
lebte in Kassel und interessierte sich für kulturelle Veranstaltungen.
1891 ging Mary ans Newnham College, um mittelalterliche und moderne
Sprachen zu studieren. Das Collegeleben bedeutete für sie eine neue
Freiheit und Unabhängigkeit.
Mary befreundete sich an der Universität mit Florence Melian Stawell,
einer australischen Studentin, an. Florence machte Mary mit den Werken von
Walt Whitman, George Meredith und Henrik Ibsen bekannt. Eine weitere enge
Freundin an der Universität Cambridge war Flora Mayor.
Während ihres Studiums am Newnham College begann Mary, im armen
Arbeiterviertel Barnwell in Alphabetisierungskurse für Erwachsene zu
unterrichten. Diese Erfahrung machte sie zur Sozialreformerin.
Sie freundete sich auch mit Bertrand Russell an, einem Verfechter der
freien Liebe und des Frauenwahlrechts. Er stand auch der Religion sehr
kritisch gegenüber. John Sheepshanks, der zu dieser Zeit Bischof von
Norwich war, war von Marys Ansichten zu Politik und Religion so empört,
dass er darauf bestand, dass Mary ihre Universitätsferien nicht zu Hause
verbringen durfte.
Im Oktober 1895 trat sie der Women's University Settlement, später der
Blackfriars Settlement, in Southwark bei.
1897 wurde Mary zur stellvertretenden Direktorin des Morley College for
Working Men and Women ernannt. Sie bemühte sich besonders, benachteiligte
Frauen davon zu überzeugen, sich am College einzuschreiben.
Mary unterstützte die Women Social & Political Union in ihrer
militanten Kampagne für das Frauenwahlrecht. Sie war auch eine enge
Freundin von Suffragetten wie Marion Wallace-Dunlop.
Mary unterstützte den Antrag auf Wahlrecht für Frauen, weil sie der
Meinung war, dass die Abstimmung den Frauen und dem Staat zugutekommen
würde.
Ihre Haltung zu den Suffragetten war, wie die vieler ihrer
Mitstreiterinnen, zwiespältig. Die Methoden der Suffragetten gefielen ihr
nicht. Sie hatte eine Abneigung gegen Gewalt, aber sie bewunderte ihre
individuellen mutigen Taten sehr und bezweifelte, dass sie selbst einen
ähnlichen Mut aufbringen könnte. 1913 überredete Jane Addams sie,
Sekretärin der International Women's Suffrage Alliance und Herausgeberin
ihrer Zeitschrift Ius Suffragii (Das Gesetz des Wahlrechts) zu werden.
Mary war eine Gegnerin der britischen Beteiligung am Ersten Weltkrieg.
Charles Trevelyan gründete die Union of Democratic Control (UDC), um sich
dem Krieg zu widersetzen. Mary wurde Mitglied dieser Organisation. Sie
forderte Frieden und ein Ende des Wettrüstens.
Mary begrüßte die Russische Revolution und den Sturz von Zar Nikolaus II.
Sie löste Emily Bach 1927 als Sekretärin der Internationalen Frauenliga
für Frieden und Freiheit ab. Im September 1928 leitete sie eine weitere
Delegiertengruppe beim Völkerbund, um ein dringendes Memorandum mit der
Forderung nach einer Weltabrüstungskonferenz vorzulegen.
1936 war sie daran beteiligt, den im spanischen
Krieg kämpfenden Republikanern medizinische Hilfe zukommen zu lassen.
1938 bemühte sie sich, ein Heim für baskische Flüchtlingskinder zu
finden. Ihr Haus in Highgate wurde zu einem Zufluchtsort für politische
Flüchtlinge.
Die wachsende Macht Nazi-Deutschland beunruhigte Mary zunehmend, und bei
Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gab sie ihren Pazifismus
auf. Sie war jedoch weiterhin gegen flächendeckende Bombenangriffe und war
entsetzt über den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima und Nagasaki im Jahr
1945.
In ihren letzten Lebensjahren war sie fast blind und gelähmt. Konfrontiert
war sie mit der Aussicht, in einem Pflegeheim untergebracht zu werden.
Mary Sheepshanks beging am 21. Januar 1960 in ihrem Haus in Hampstead
Selbstmord.
Quelle: https://spartacus-educational.com/WsheepshanksM.htm#source